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Warum etablierte Medien trotz Fake-News-Vorwürfen auf Facebook präsent sein wollen

Ein Beitrag von Lena Lackermeier

Fake-News-Schreie, Hate-Speech, massenhaft Falschmeldungen – damit haben etablierte Medien wie Süddeutsche.de oder die Tagesschau täglich zu kämpfen. Warum also nicht einfach aufgeben und keine neuen Posts auf Facebook mehr verfassen? „Das ist keine Option“, sagt Julia Bönisch, Chefredakteurin von Süddeutsche.de beim Panel zum Thema „Fake oder News, Filter-Bubble oder neuer Meinungs-Pluralismus?“ auf den Medientagen München 2017.

 

Wer die breite Masse erreichen will, muss auf Facebook präsent sein, denn gerade junge Leute informieren sich heutzutage oft ausschließlich übers Internet und die sozialen Medien. „Facebook ist auf dem Medienmarkt unglaublich mächtig und dominant“, sagt Julia Bönisch. Perfekt geeignet, um junge Leser und potenzielle neue Zielgruppen zu erreichen.

Welche Rolle spielen die sozialen Medien für den Journalismus, und wie können die sich dort verbreitenden Fake News verhindert werden? Das ist eine der zentralen Fragen, die auf den Medientagen 2017 diskutiert wurden.

In einer Zeit, in der Journalisten ihren Monopolauftrag als Gatekeeper – als Schleusenwärter für die Informationsflut, aus der sie die wichtigsten Themen nach ihrer Relevanz filtern – verloren haben und es nahezu jedem einzelnen Facebook-Nutzer möglich ist, eigene Informationen und Inhalte zu verbreiten, leidet das Vertrauen in die Medien enorm. „Nichts hat in der letzten Zeit unser Vertrauen so sehr erschüttert wie die Falschmeldungsskandale und Lügen-Rufe in den sozialen Medien“, sagt Alis Schaum, Moderatorin des Panels. Hier kommen die etablierten Medien ins Spiel, deren Aufgabe es ist, in dem digitalen Chaos aus Desinformation und verfälschten Inhalten wieder Ordnung zu schaffen.

„Wir müssen viel mehr erklären.“

„Wir müssen die Menschen aus ihrer individuellen Interessensblase herausholen und über das gesamte Tagesgeschehen besser aufklären“, fordert die Chefredakteurin von Süddeutsche.de. Genau deshalb sei es auch gar keine Option, sich aus Facebook zurückzuziehen. Denn damit würden man die Nutzer der täglichen Flut an Informationen hilflos aussetzen. In Fachkreisen spricht man dabei vom „Information overload“, der dazu führen kann, dass Menschen sich überhaupt nicht mehr informieren wollen. „Dann machen die Nutzer ‚zu‘ “ , sagt Bönisch. Um das zu vermeiden möchte sie verstärkt daran arbeiten, die Nutzer abzuholen und wieder zurück zu qualitativem Journalismus zu führen. Das beginnt damit, die zahlreichen Vorurteile, beispielweise rund um das Thema Fake-News, aus dem Weg zu räumen.

Wie oft steckt wirklich etwas dahinter, wenn wieder eine Welle von Fake News-Rufen durchs Netz geht? Wie oft passiert es tatsächlich, dass Süddeutsche.de falsche Informationen veröffentlicht? „Mir fallen ehrlich gesagt in der letzten Zeit nur zwei Beispiele ein und selbst da haben wir gar nichts veröffentlicht“, sagt Julia Bönisch von Süddeutsche.de. „Im ersten Fall ging es um ein Interview mit Renate Künast, das aber so nie stattgefunden hat, darum haben wir das gar nicht weiter verfolgt.“ Ähnlich sei es bei dem zweiten Fall gewesen: Es ging das Gerücht um, dass eine Gruppe von Syrern eine Kirche in Dortmund angegriffen habe – doch schnell wurde klar, dass das auch schon alles ist: ein Gerücht. In solchen Situationen lohne es gar nicht erst, das Thema in die News aufzunehmen.

Letzten Endes ist es vermutlich immer noch die Aufgabe jedes Einzelnen, zu entscheiden, welchen Inhalten zu glauben ist und welchen nicht. Oft lohnt es sich, zweimal nachzudenken und vielleicht sogar den eigenen Interessenshorizont zu vermeiden – dann werden sich  Fake-News-Gerüchte vielleicht auch nicht so schnell verbreiten.


Dieser Beitrag entstand im Rahmen unseres Online-Workshops zum Thema „Vertrauen und Medien“ bei den Münchner Medientagen 2017. Bei dem Workshop lernten die Teilnehmer, wie man soziale Medien als Quellen nutzt und Informationen von dort verifiziert, wie man gute (Bewegt-)Bilder erstellt und wie man Inhalte am besten in den sozialen Medien verbreitet.